Das ehrwürdige Hotel Maderanertal auf Balmenegg hat eine bewegte Geschichte hinter sich.
Das Hotel " Zum Schweizerischen Alpenclub " wie es damals hiess, wurde im Jahre 1864 von Albin Indergand, Hotelier und Regierungsrat aus Amsteg und seiner Gemahlin Rosa, geborene
Burkhardt aus Basel, erbaut.
Es war in der Zeit, als die Angelsachsen und die Unterländer die Berge entdeckten und in ihrer Freizeit reihenweise auf die Berggipfel kraxelten. Auf Wunsch
seiner Basler Bergfreunde, die mehrheitlich dem kurz zuvor gegründeten SAC angehörten, nannte Albin Indergand das Hotel nicht wie ursprünglich geplant " Zum Balmenwald ", sondern "
Zum Schweizerischen Alpenclub " , ohne dass damit eine Abhängigkeit oder Verpflichtung dem SAC gegenüber entstanden wäre.
Bald einmal genügte das Haus den Ansprüchen und dem Ansturm der stets wachsenden
Gästeschar nicht mehr. 1869 wurde die so genannte Dépendance errichtet. Ihr folgte ein
weiterer Neubau, die Villa. In den folgenden Jahren wurde die Hotelanlage auf Balmenegg
immer mehr erweitert. Bald einmal gab es eine Bäckerei, eine Kegelbahn und ein Postbüro.
Auf einem Hügel oberhalb der Gebäude wurde 1888 eine schmucke kleine Kirche gebaut, in
welcher neben dem katholischen, wegen der zahlreichen englischen Gästen, stets auch ein
anglikanischer Gottesdienst gefeiert wurde.
In wenigen Jahren war ein Gebäudekomplex mit der Infrastruktur eines kleinen Dorfes entstanden.
Zur Ausstattung des Hotels gehörten auch kunstvoll tapezierte Zimmer, ein mit
grossen Spiegeln ausgestatteter Speise- und Tanzsaal, eine Bibliothek, ein Lesezimmer, ein
Touristenstübli, ein Coiffeursalon und eine Arztpraxis. Eine gepflegte Gartenanlage und ein
kleiner See mit einem Ruderboot rundeten das Angebot ab. Ja, man gab zeitweise sogar
eine eigene Briefmarke heraus.
Nach dem Ersten Weltkrieg wurde das elektrische Licht eingerichtet und eine Leitung für
kaltes und warmes Wasser gelegt. Das Hotel wurde fortan als Kurhotel geführt. Ganz klar:
den Gästen sollte auch in den Bergen, eine Welt voller Luxus und Annehmlichkeiten geboten
werden, ohne die wohl nur ein Bruchteil der Gäste bereit gewesen wäre, in der Abgeschiedenheit
der Alpen Ferien zu machen.
Das Hotel brachte Arbeitsmöglichkeiten und Verdienst ins Tal. Das Haus bot bis in die Fünfziger
Jahre für über 2 Dutzend Personen eine Anstellung. Die meisten kamen aus der nächsten
Umgebung und hielten den Wirtsleuten über Jahre hinweg die Treue.
Aus dem ältesten noch erhaltenen Journalbuch des Hauses, aus dem Jahre 1870, geht hervor,
dass die meisten der Gäste über eine Woche im Hotel zu bleiben pflegten. Unter den
unzähligen Gästen, die das Maderanertal besuchten, finden wir auch Namen berühmter
Staatsmänner, Kardinäle, Musiker, Philosophen und Wissenschaftler.
Der bekannteste dürfte sicher Friedrich Nietzsche gewesen sein, der im Jahre 1870 im Hotel
weilte. Aber auch königliche Häupter zählten zu den Gästen. So zum Beispiel hat die holländische
Königin Sonja III, vor rund 100 Jahren dem Maderanertal ihre Aufwartung gemacht.
Weiter ist zu erwähnen, dass der Zürcher Alpenforscher Albert Heim mehrere Sommer im
Hotel Maderanertal verbrachte. Ebenso gerne sahen die Urner Strahler den Mineraliensammler
Ashcroft aus London, der für die Mineralogische Abteilung des Britischen Museums
die umfassendste Sammlung aus den Schweizer Alpen, namentlich aus dem Maderanertal
und aus dem Intschitobel, zusammentrug. Gerne erinnert man sich aber auch der mehrmaligen
Kuraufenthalte eines grossen Urners, des Hw. Bischofes Johannes Vonderach.
Das Hotel SAC erlangte so einen Bekannheitsgrad, weit über die Landesgrenzen hinaus. Es
hat dem einst unberührten Berggebiet und dem ganzen Maderanertal zu grossem Ansehen
verholfen. Der Hochgebirgstourismus kam um jene Zeit so richtig in Schwung. Die zahlreichen
Bergführer von Bristen und Umgebung erhielten gute Aufträge. In diese Zeit fielen auch
die berühmten Erstbesteigungen. Schliesslich entstanden im Umkreis eines Tagesmarsches
vom Hotel sieben Clubhütten.
Nicht zu vergessen sind die Träger, die mit ihren Sänften noble Damen - mit blumenbewehrten
Hüten - und wohlbeleibte Herren, teils ab Amsteg oder von Bristen zum Hotel
Balmenegg trugen. Die Strecke Amsteg bis Sankt Anton in Vorderbristen war erst im Jahre
1912 befahrbar. Bis zum Bergdorf Bristen und nach Hinterbristen entstand die Strasse zwischen
1918 und 1922, im Zusammenhang mit dem Bau des SBB-Kraftwerkes in Amsteg.
Das Hotel Maderanertal blieb genau 100 Jahre im Besitz der Familie Indergand. Im Jahre
1964 ging die Liegenschaft mit dem Hotelbetrieb auf Balmenegg käuflich an Hans Z'graggen,
Bergführer und Gastwirt von Bristen über. In den Jahren 1967 / 68 baute der neue Besitzer
nach eigenen Plänen eine heimelige, über 80 Personen Platz bietende Gaststube und eine
Gartenwirtschaft an.
Aus gesundheitlichen Gründen musste Hans Z'graggen den Betrieb des Hotels 1987 aufgeben.
Nachdem das Haus 1 Jahr geschlossen blieb, führten Heinz Baumann und Stefan Fryberg
für eine Saison den Betrieb. Es folgten wieder 2 Jahre in denen das Hotel geschlossen
blieb. In dieser Zeit wurde nach einem Betriebskonzept für das Weiterbestehen des Hotels
gesucht. Die Schaffung einer Stiftung und die Zusammenarbeit mit dem Kanton waren ein
ernsthaftes Diskussionsthema. Im Frühjahr 1991, kurz vor seinem Tod verkaufte Hans
Z'graggen den Gebäudekomplex an den Zürcher Architekten Paul Kleeb. Am 6. Juni 1992
erlebte das Hotel unter dem neuen Namen " Hotel Maderanertal " seine Neueröffnung. Es
waren verschiedene neue Nutzungskonzepte eingeplant. So sollten auch regelmässig Seminarien
abgehalten werden. Diese Neuerungen kam aber nie richtig zum Tragen, sodass das
Hotel 1996 an die Familie Fedier - Tresch aus Bristen weiterverkauft wurde und heute
wieder mit Erfolg geführt wird.